Am 17. März 2025 diskutierten im L’Office im 7. Wiener Gemeindebezirk drei Expert:innen über die Zukunft der größten freien Wissensplattform der Welt: Wikipedia. Wikipedia ist unser kollektives Gedächtnis im Internet. Es hilft gegen Fake News, Desinformation und "alternative Fakten". Aber die Wikipedia ist in Gefahr. Fake-Accounts ("Sockenpuppen") versuchen Artikel umzuschreiben, mächtige Männer wie Elon Musk rufen öffentlich zum Boykott der Plattform auf. Zu Gast waren der Politikwissenschafter Leonhard Dobusch, die Präsidentin von Wikimedia Europe Claudia Garád und der Journalist Christoph Schattleitner (Podcast „Sockenpuppenzoo“, SWR).

Die Diskussion spannte einen weiten Bogen: Dobusch betonte pointiert, dass „Wikipedia antifa“ sei – ein klares politisches Statement, das die Grundwerte des Projekts ins Zentrum rückte. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Plattform vor vielfältigen Herausforderungen steht. So wurde unter anderem die mangelnde Diversität innerhalb der Community kritisch thematisiert: Die Mehrheit der aktiven Wikipedia-Autor:innen ("Wikipedianer:innen") sind nach wie vor Männer mittleren Alters. Dazu kommt, dass die Gesundheit mancher Wikipedianer:innen unter der Arbeit leidet, da diese manchmal Monatelang gegen rechte "Sockenpuppen" anschreiben.

Dobusch und Schattleitner plädieren dafür, die freiwillige Arbeit auf Wikipedia künftig auch durch neue Formen der Anerkennung oder Bezahlung zu stützen. Claudia Garád verglich das Schreiben auf Wikipedia mit dem Müllsammeln im Park – ein Akt für das Gemeinwohl, der meist unbeachtet bleibt.

Weitere Themen waren das Altern der Community, infrastrukturelle Fragen – etwa die weiterhin in den USA stationierten Server – und die politische Verwundbarkeit des Projekts in autoritären Kontexten. Einig waren sich alle drei: Wikipedia ist ein unverzichtbares öffentliches Gut, das mehr Schutz und Aufmerksamkeit verdient.

Fotocredits: Simon Veith TRZ Media

Christoph Schattleitner (*1992) ist Redakteur beim ZDF Magazin Royale. Er recherchiert vor allem zu Demokratie, Internet und deren Herausforderungen. Davor war er für VICE Austria und andere Medien tätig. Er lehrt Investigativen Journalismus in Wien und lebt in Köln und Berlin.

Claudia Garád ist Präsidentin von Wikimedia Europe und leitet als Geschäftsführerin den gemeinnützigen Verein Wikimedia Österreich in Wien. Seit 2012 unterstützt sie die Wikipedia-Community und setzt sich für Freies Wissen sowie mehr Vielfalt in der Wikimedia-Gemeinschaft ein. Zudem ist sie in Advisory Boards der Freien Radios Österreich und der Open Knowledge Maps aktiv und organisiert die Netzpolitischen Abende Wien mit.

Claudia Garád
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Leonhard Dobusch, Betriebswirt und Jurist, forscht und lehrt als Universitätsprofessor für Organisation an der Universität Innsbruck, u.a. zu Offenheit als Organisationsprinzip und dem Management digitaler Communities wie der Wikipedia. Er ist Mitgründer und wissenschaftlicher Leiter des Momentum-Instituts, Mitglied des ZDF Verwaltungsrats sowie des Generalrats der OeNB.